Die Idee dieser Ausstellung entstand während des zweisemestrigen Seminars ‘May Ayim – Schwarze deutsche Feministin?’ am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin 2011/12. Anlass zu diesem Seminar bot die Umbenennung des Gröbenufers in Berlin-Kreuzberg in May-Ayim-Ufer, welches erstmals im urbanen Stadtbild eine postkoloniale Perspektivumkehr markierte und einen Rahmen bot, Themen wie Kolonialismus, Rassismus und Sexismus wissenschaftlich aufzuarbeiten.
Grundstein für die Intervention in Form dieser Ausstellung legte Natasha A. Kelly, die sich selbst als Schwarze Deutsche positioniert. Sie leitete das Seminar „May Ayim – Schwarze Deutsche Feministin?“, das in zwei Teilen im Wintersemester 2011/12 und im Sommersemester 2012 stattfand. Ziel des Seminars war es, die Perspektive auf Geschichte und Gegenwart umzukehren, so dass Schwarzes Wissen und Wissensproduktionsprozesse sichtbar und im universitären Kontext institutionalisiert werden können. Im Vordergrund sollte nicht ausschließlich die Person May Ayim stehen, sondern ihre gesellschaftliche Position als Schwarze Frau in Verbindung mit der Frage, wie das Konzept „Feminismus“ in der deutschen Wissenschaft verhandelt wird.
Die Beschäftigung der Student_innen mit ihren sozial-politischen Positionierungen und kritischen Verortungen waren wichtige Bestandteile des Seminars und verdeutlichten dass Rassismus&Sexismus zum gesamtgesellschaftlichen Alltag in Deutschland gehören. Zu betonen ist dabei die Untrennbarkeit/Interdependenz von Rassismus&Sexismus für Schwarze Frauen und Roma Frauen. Auch die weiß positionierten Seminarteilnehmer_innen sollten ihre Verantwortung erkennen, da der Verbund von Rassismus&Sexismus kein individuelles, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Besonders die Auseinandersetzung mit Kritiken am weißen Feminismus sowie mit Konzepten von Critical Whiteness leisteten hier einen wichtigen Beitrag zu unserem gemeinsamen Projekt.
Auf der Suche nach den Ursachen für strukturellen und institutionellen Rassismus&Sexismus wurde eine andauernde Kolonialität sichtbar, deren Machtstrukturen es aufzubrechen gilt. So bot das Modul „Interventionen“ den richtigen Rahmen, um durch praktische Interventionen in bestehende Strukturen einzugreifen. Aus diesem Interventionsseminar wuchs die Idee des antikolonialen Supermarktes EDEWA als Wanderausstellung, der durch Perspektivumkehr Lebens- und Widerstandsgeschichten thematisiert, denen im weißen Mainstream kein Platz eingeräumt wird.
Die Intervention begann mit einem offenen Brief an die Edeka-Gesellschaft, die sowohl im deutschen Kolonialismus wie auch im Nationalsozialismus enge wirtschaftliche und ideologische Verbindungen zu den jeweiligen Herrschaftssystemen, die auf white supremacy basier(t)en, pflegte, und davon weiterhin profitiert. Diese Verflechtungen finden sich bis heute in Vermarktungskonzepten, Produktnamen, Werbung sowie in der Wahrnehmung und der Darstellung der Unternehmensgeschichte wieder. Anlass für den Brief war die Umbenennung eines Produktes in eine rassistische Bezeichnung, die hier unausgesprochen bleiben soll, welche wir in einzelnen Berliner Edeka-Filialen fanden. Vom Hersteller war das Produkt neutral als „Sonntagswaffeln“ deklariert. Dass die neugewählte Bezeichnung rassistisch ist, wurde von den Verantwortlichen nicht berücksichtigt. Eine Reaktion auf den Brief erhielten wir bis zum heutigen Tag nicht.
Daher war es notwendig, das Schweigen – im Sinne der Schwarzen US-amerikanischen Aktivistin Audre Lorde – zu brechen und stattdessen zu handeln, denn „niemand außer uns selbst wird uns befreien, hier wie dort. So ist unser gemeinsames Überleben nicht zu trennen, selbst wenn die Bedingungen, unter denen wir kämpfen, voneinander abweichen.” (Audre Lorde, 1986, In: Apartheid USA, S. 40). Audre Lorde ist neben May Ayim, Delia Zamudio und Panna Czinka eine der Hauptprotagonistinnen unserer Ausstellung, die 2012 das erste Mal ihre Türen öffnete.