2017

Projekttage mit EDEWA im Rahmen der BREBIT 2017

 

Rückblick und Projektdokumentation

Im Rahmen der 14. Brandenburger Entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationstage (BREBIT) im Herbst 2017 zum Thema ‘Kolonialismus und globale Ungerechtigkeit’ bot EDEWA Projekttage für Schüler_innen der Sekundarstufe an. In Kooperation mit der brandenburgischen Gesamtschule Petershagen der FAW führte das EDEWA-Team vier Projekttage mit Schüler_innen der Klassenstufen 8 – 12 durch.

Ausstellungsraum Gesamtschule Petershagen (c) N. Kelly

Motivation

Im Bezug auf den Kolonialismus ‘leidet’ die weiße deutsche Mehrheitsgesellschaft an einer kollektiven Amnesie. Eine kritische Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte erfolgt nur mangelhaft, erinnert wird (wenn überhaupt) nur an die (Greuel-)Taten der Kolonisator_innen. Mit unserem Bildungsangebot wollen wir dazu beitragen, die Wissenslücken zu schließen und die Perspektive umzukehren, so dass eine multiperspektivische Erzählung Verbreitung findet. Darüber hinaus wollen wir die kolonialen Kontinuitäten thematisieren, die Formen von Alltagsrassismus in Verschränkungen mit (Hetero-)Sexismen, Klassismen und weiteren Diskriminierungsverhältnissen hervorbringen. Wir folgen somit der Kritik postkolonialer und dekolonialer Wissensproduktion. Wichtig ist uns, über die Geschichten der portraitierten Aktivistinnen of Color, Widerstands- und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und auch an diese Personen zu erinnern. So möchten wir mit unserer Bildungsarbeit auch die Erinnerungskultur mitgestalten und einen Perspektivwechsel stark machen.

Porträts im Ausstellungsraum Petershagen (c) N. Kelly

Themen und Zugänge

Was ist Alltagsrassismus? Wie ist er mit Sexismus verknüpft? Was hat der deutsche Kolonialismus damit zu tun? Diese und andere Fragen beantwortet die interaktive Wanderausstellung „EDEWA“. Der nachgebaute Supermarkt bietet anhand einer eigenen Produktpalette die Möglichkeit, Brandenburgs Rolle im Kolonialismus zu beleuchten und Verbindungen zur Gegenwart herzustellen. Neben Führungen ermöglicht ein Audioguide (mit Höraufgaben) den Schüler_innen, selbstständig die Ausstellung zu erkunden. Dabei werden Postkolonialismus als Erzähl- und Blickperspektive eingeübt und historische und gegenwärtige Widerstandsgeschichten thematisiert. Anhand eigens dafür konzipierten Projektmappen wird das erworbene Wissen der Teilnehmer_innen im Anschluss vertieft und gesichert.

Einkaufswagen und Audio-Guide (c) N. Kelly

Lernziele

Die Teilnehmenden untersuchen ihren Alltag, vor allem Konsumprodukte und deren Herstellungsbedingungen, nach kolonialen Spuren. Sie denken über ihre eigene Rolle in Bezug auf globale Ungerechtigkeiten nach. Den Schüler_innen wird die Vieldimensionalität von Rassismus bewusst und dass er häufig dort auftritt, wo er nicht vermutet wird. Da die Ausstellung einen multiperspektivischen Ansatz verfolgt und die Inhalte bewusst anhand von widerständigen Geschichten vermittelt werden richtet sie sich an Schüler_innen aller gesellschaftlichen Positionen: Je nach eigener Positionierung im Kontext von Rassismus und Sexismus richten sich die Lernziele u.a. am Erkenntnisgewinn in Bezug auf eigene Verstrickungen bzw. am Empowerment (Selbstermächtigung) der Schüler_innen aus. Dabei steht ein intersektionales Verständnis von Machtstrukturen im Vordergrund, welches insbesondere das Erlernen eines Perspektivwechsels – eine Kompetenz die während der Projekttage vermittelt wird – unterstützt. Zudem liefern die Biografien der widerständigen Aktivistinnen und deren Selbstpositionierungen neue gesellschaftskritische und geschichtsdidaktische Lerninhalte für die Teilnehmer_innen.

Projekttag (c) N. Kelly

Das Üben eines postkolonialen Perspektivwechsels, die inhaltliche Auseinandersetzung mit sonst im Schulalltag vernachlässigten Themen wie Kolonialismus, Rassismus und Sexismus und das Reflektieren historischer Verstrickungen bzw. sozialer Positionierungen sind Lerninhalte die sowohl auf kognitiver, methodischer als auch auf emotionaler Ebene vermittelt und verhandelt werden. In diesem Sinn üben die Schüler_innen transdisziplinäres Lernen und kritische Selbstreflexion. Gleichzeitig erlernen sie interaktiv Kompetenzen wie das Deuten medialer Darstellungen, die Reflektion eigener und anderer Wertvorstellungen, multiperspektivisches Urteilen, respektvolle Verständigung im Dialog, kritische Text- und Bildanalyse und die eigenverantwortliche Arbeit in Kleingruppen.

Gruppenarbeit Projekttag (c) N. Kelly

Methode und Ablauf der Projekttage

An jedem Projekttag nahmen 16 Vertreter_innen einer Jahrgangsstufe teil, die danach als Multiplikator_innen ihre Mitschüler_innen durch die Ausstellung führen konnten. Das eigens dafür entworfene Konzept der Projekttage umfasste ein vielseitiges Programm aus einer thematischen Einführung, offenen Diskussionsrunden, Kleingruppenarbeit mit Projektmappen, interaktive Erschließung der Ausstellung durch die Schüler_innen selbst, Nutzung des Audio-Guide (inkl. Höraufgaben) sowie Begleitheft und einer abschließenden Präsentation durch die Schüler_innen.

Kleingruppenarbeit mit Projektmappen (c) N. Kelly

In den Gruppenphasen arbeiteten vier Kleingruppen mit thematisch unterschiedlichen Projektmappen, die jeweils anhand einer Biografie (May Ayim, Audre Lorde, Panna Czinka, Delia Zamudio) Fragen zu den Themen Rassismus, Sexismus, Kolonialismus und koloniale Kontinuitäten, (Kolonial)Warenhandel, Konsum, Fremdbenennungen und Selbstbezeichnungen, Widerstand und Selbstpositionierung aufwarfen. Innerhalb der Kleingruppen bestand die Möglichkeit des Austausches, sowie der thematischen Vertiefung. Zum Abschluss des Projekttages stellte eine Person jeder Gruppe ihre Ergebnisse vor, sodass ein Gesamtüberblick der Ausstellung gegeben war. Auf diese Weise konnten eigenständige Führungen durch die Schüler_innen erfolgen und ein Multiplikator_inneneffekt entstehen.

Die Projektleiter_innen gaben den Gruppen Hilfestellungen, Anregungen und diskutierten Fragen, die während der Projektarbeit aufkamen. Außerdem führten sie thematisch und methodisch in die Projekttage ein. Die Projektarbeit der Schüler_innen und die abschließenden Präsentationen machten auch Diskussionsbedarf und Fragen sichtbar, welche gemeinsam thematisiert wurden. Der rege Austausch innerhalb der Kleingruppen und auch innerhalb der gesamten Gruppe stellte einen wichtigen Teil der Projektarbeit dar.

Präsentation der Ergebnisse (c) N. Kelly

Fazit

Die Lernziele variierten je nach Jahrgangsstufe. Sie wurden durch die flexible Gestaltung der Projektmappen ausnahmslos erreicht. Insbesondere durch die eigenständige und interaktive Arbeit mit den oben genannten Themen funktionierte das Konzept sehr gut. Alle Schüler_innen trafen im Laufe ihrer Auseinandersetzung mit den Themen immer wieder eigene Entscheidungen, anhand welcher Beispiele oder Methoden sie sich mit Fragen beschäftigten. Besonders der von Jugendlichen im Rahmen des Youngstars-Projektes eingesprochene Audio-Guide mit den Höraufgaben fand großen Anklang. Auch der methodisch abwechslungsreiche Ablauf des Projekttags bewährte sich.

Das Projekt zeigt die Wichtigkeit und Notwendigkeit die erarbeiteten Themen im Regelunterricht einzubetten. Vor allem die jüngeren Teilnehmer_innen zeigten großes Interesse und verhielten sich offen den Themen gegenüber. Für die mehrheitlich weiße Schüler_innenschaft der Schule bedeutete dies, das eigene Wissen zu hinterfragen und ein Bewusstsein in Bezug auf das Wirken von Rassismuszu entwickeln und auch den eigenen Anteil daran wahrzunehmen. So war die Tatsache, dass der Kolonialismus der Ursprung des deutschen Rassismus ist, vielen Schüler_innen nicht bekannt.

Kleingruppenarbeit (c) N.Kelly

Gerade da zu den in der Ausstellung vermittelten Themen wenig fundierte Quellen oder Lehrmaterialien in gängigen Schulbüchern zu finden sind, ist eine Fortbildung der Fachlehrer_innen empfehlenswert.

Im Rückblick können wir sagen, dass nicht nur die Schüler_innen viel dazugelernt haben, sondern auch wir als Projektleiter_innen aus den Erfahrungen und dem Austausch mit den Schüler_innen und der pädagogischen Arbeit in der Institution Schule lernen konnten. Insbesondere freuen wir uns über das Interesse der Schüler_innen an den Themen und die große Offenheit, sich damit kreativ, selbstreflektiv und interaktiv zu beschäftigen. Diese Erfahrung hat uns auch darin bestärkt, weiterhin die Zusammenarbeit mit Schulen zu suchen und die Bildungsarbeit im Jugendbereich auszubauen.

Die Gesamtschule Petershagen hat selbst einen kurzen Bericht und Fotos zu den Projekttagen veröffentlicht, welcher hier eingesehen werden kann.


Pressemitteilung

EDEWA stellt neuen Audio-Guide vor

Berlin, den 18.04.2017

Die Wanderausstellung EDEWA, die Einkaufsgenossenschaft antirassistischen Widerstands, welche schon mehrfach in Berlin und weiteren Städten Deutschlands gezeigt wurde und ihr siebtes Jahr des Bestehens 2017 begeht, wird nun auch für Jugendliche und Lesende von einfacher Sprache zugänglicher. Die bisher dargestellten Inhalte sind das Ergebnis fundierter Recherchen, doch stellten die meist wissenschaftlichen Texte oftmals eine Hürde für jugendliche Besucher_innen dar. Dies bot Anlass für das Team ihre Inhalte in Form eines Audio-Guides für ihre jugendliche Zielgruppe zu öffnen. In Zusammenarbeit mit einer Sprachpädagogin und verschiedenen Jugendgruppen entstand die neue Audio-Version der Ausstellung mit einem vielfältigen Begleitheft, welches auch methodische Zugänge für Pädagog_innen und weitere Multiplikator_innen bietet. EDEWA lädt am 29. April ab 16 Uhr im Haus der Jugend am Nauener Platz, Berlin-Wedding, zur Audio-Release-Party ein. Neben der Installation der Audio-Stationen wird es ein Rahmenprogramm mit den beteiligten Jugendlichen und jungen Erwachsenen geben.

Die Veranstaltung findet ihr hier auch auf Facebook!


Offene Führungen zum Internationalen Tag gegen Rassismus am 21.03.2017

Die offenen Führungen zum Internationalen Tag gegen Rassismus findet ihr außerdem auf unserer Facebook-Seite, im Veranstaltungskalender der Internationalen Wochen gegen Rassismus und im Programm von ‘Zusammen gegen Rassismus Wedding & Moabit’. Wir freuen uns schon auf euch!